Herausforderung für CIOs
Die Software-Entwicklung erreicht in vielen Unternehmen noch nicht das professionelle Niveau, mit dem andere Automatisierungs- und Industrialisierungsvorhaben verfolgt werden. CIOs berichten, wie sie das ändern wollen. Dies ist eine gekürzte Version - lesen Sie hier den gesamten Artikel auf CIO.de oder auf computerwoche.de.
Jeder Konzern muss heute in großem Maßstab Software entwickeln, da deren Beitrag zur Wertschöpfung rasant wächst. In Sachen "Organizational Excellence" kann die Softwareentwicklung aber oft noch nicht mit anderen Unternehmensbereichen mithalten. Deshalb entwickeln CTOs und CIOs unter Hochdruck Methoden des Digital Engineering, die sicherstellen sollen, dass die hauseigene Software Factory effektiv und sicher produziert.
Professionelle Software-Entwicklung wird erfolgskritisch
Beim Digital Engineering kommt es auf Ingenieurs-Know-how an, ebenso auf strategische Kompetenz. Da die Softwareproduktion in Wechselwirkung zu vielen anderen Unternehmensbereichen steht, müssen Geschäftsführer und Vorstände in der Steuerung der Software Factory eine aktive Rolle spielen. Dies im schnellen Rhythmus des digitalen Weltmarkts zu schaffen, wird zu einem elementaren Erfolgsfaktor für Konzerne aller Branchen. …
Software wird selten pünktlich und ohne Fehler fertig
Große Softwareprojekte sind eine herausfordernde Aufgabe, an der sich schon so mancher Konzern verhoben hat. Im Gegensatz zu traditionellen Industrieprodukten wird Software selten pünktlich geliefert und ist niemals komplett fehlerfrei. Ein bedenklich hoher Anteil von Softwareprojekten scheitert sogar vollständig. In einem solchen Fall stehen die verantwortlichen Unternehmensleitungen dann oft vor der sprichwörtlichen Black Box: Transparenz und gezielte Einflussnahme scheinen unmöglich.
Die Softwareproduktion ist aber mittlerweile zu bedeutend, um ein Risikofaktor sein zu dürfen. Bernd Rattey, CIO der DB Fernverkehr AG, stellt fest: "IT ist heute für fast jedes Element der Wertschöpfungskette eines Unternehmens ein elementarer Erfolgsfaktor. Dabei muss das Zusammenspiel zwischen den Geschäftsprozessen und der IT an diesen Stellen neu definiert werden."
Die Relevanz von IT wuchs in vielen Unternehmen lange unter dem Radar - vor allem dann, wenn sich die Firmen aufgrund ihrer erfolgreichen Marktposition als unantastbar wähnten. Dirk Ramhorst, CIO von Wacker Chemie, sagt hierzu: "Schon vor knapp zehn Jahren wurde im Silicon Valley der Spruch 'Software eats the World' geprägt. Dieses Bild ist hilfreich, um die aktuellen Herausforderungen zu verstehen. Hier gibt es in Deutschland großen Nachholbedarf, der keinen Halt vor den IT-Abteilungen aller Größenordnungen machen wird."
Es geht um Transparenz und Kontrolle
… Auf dem Weg zur Software Factory ist es besonders wichtig, agile Organisationsformen und Arbeitsabläufe zu skalieren und dabei Transparenz und Kontrolle zu wahren. Professor Christian Bär, Chief Digital Officer (CDO) der Datev, sagt, worauf es aus seiner Sicht ankommt: "Software Factories lassen sich nicht nach altbekannten Mustern mit direktiver Führung, einer strengen Aufbauorganisation oder einem hierarchisch geprägten Arbeitsklima führen. Gerade in der VUCA (Anm. "Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity) -Welt gilt: Nur die anpassungsfähigen Organisationen werden überleben." Es brauche ein System, das sich selbst evolutionär weiterentwickeln könne und von vornherein dafür strukturiert sei.
Mehr Erfolg mit Software Process Mining
Agiler Wandel im Großen setzt voraus, dass Entscheider Verantwortung an Mitarbeiter abgeben. Entwicklungsteams lassen sich an der ihnen übertragenen Verantwortung auch messen. Die dafür notwendigen Instrumente liefert Software Analytics mit Schwerpunkten auf Software Process Mining und Software Product Analytics.
Oliver Laitenberger, Partner der Managementberatung Horn & Company, empfiehlt: "Die Chefetage sollte ihre Software-Entwicklung mit Hilfe von Daten objektiv planen und steuern können. Das gilt sowohl für klassische Verfahren als auch für das agile Setting. Insbesondere für den Einsatz von SCRUM oder dem agilen SAFe-Framework fehlt den Entscheidern oft das erforderliche Instrumentarium."
Ein engagierter Verfechter eines analytischen und selbstreflektierten Digital Engineering ist Professor Jürgen Döllner vom Hasso-Plattner-Institut für Digital Engineering in Potsdam. Döllner beschäftigt sich damit, wie Unternehmen ihre über Jahre gewachsenen Softwaresysteme, aber auch die Software-Produktionsprozesse analysieren und intuitiv nachvollziehbar machen können.
Übersicht im Digital Boardroom
Seine Vision von einem Digital Boardroom für das Software-Engineering geht letztlich auf einen Impuls von Institutsgründer Hasso Plattner zurück. "Natürlich können wir Software nicht genauso produzieren wie Autos", so der Wissenschaftler. "Wir müssen aber von den älteren Ingenieurdisziplinen den Anspruch auf Transparenz und rationale Steuerung übernehmen und mit modernen Mitteln und Methoden auf die agile Softwareproduktion anwenden", sagt Döllner. Die technischen Möglichkeiten dazu gebe es, sie würden aber noch lange nicht ausgeschöpft. ...
Transparenz im Großen wie im Kleinen
Zu den Pionieren in Sachen Digital Boardrooms gehört Johannes Bohnet, Gründer von Seerene, dem Anbieter einer solchen Plattform. Das Spin-off des Hasso-Plattner-Instituts hilft Konzernen bei der Einrichtung ihrer individuellen Digital Boardrooms, welche die C-Suite und Teamleiter in die Lage versetzen sollen, auf umfassend erhobene Echtzeit-Daten zuzugreifen. Für Bohnet stehen Agilität und Kontrolle in keinem Kulturkonflikt zueinander: "Der direkte Zugriff auf alle strategierelevanten Informationen sorgt vielmehr dafür, dass der Widerspruch zwischen Culture of Trust und Culture of Control aufgehoben wird. Einzelne Entwicklungsteams können agil und autonom agieren und gleichzeitig wird auf übergeordneter Ebene eine Steuerung, Ausrichtung und Optimierung auf die globalen Konzernziele möglich."
Für Bohnet geht es darum, auch in der Softwareentwicklung die vorhandenen Datenschätze strukturiert zusammenzubringen und für die Gesamtorganisation nutzbar zu machen. Aufgrund der Komplexität brauche es dazu automatisierte Analysetools, insbesondere das "Software Development Process Mining". Mithilfe von Kennzahlen und Meilensteinen könne dann gezielt entlang der übergeordneten Strategie gearbeitet werden.
Mit den Analysetools lässt sich die Performance des Unternehmens darstellen. Als Reaktion darauf lassen sich die KPIs in eine hierarchische Ordnung bringen und zu einem Digital Boardroom verdichten. So können die Verantwortlichen aus der gebotenen Flughöhe den Gesundheitszustand ihrer Software Factory überwachen und bei Handlungsbedarf tiefer einsteigen. Probleme oder Gefahren lassen sich bis ganz hinunter auf die technische Ebene des Sourcecodes und den daran getätigten Änderungen verfolgen.
Auch in der Software-Entwicklung lassen sich Datenspuren auswerten
Die wichtigsten Elemente für eine Software Factory sind also Transparenz, die Offenlegung des Handlungsbedarfs sowie gezielte, detaillierte Analyse- und Eingriffsmöglichkeiten.
"Software Analytics-Technologie ist heute in der Lage, die Datenspuren aller Tools und Repositories in der Softwareentwicklungs-Infrastruktur zu extrahieren, zu filtern und zu umfassenden strategierelevanten Auswertungen zu verdichten", erklärt Bohnet. "So kann das technische, aber auch das nicht-technische Management immer informiert und handlungsfähig bleiben."
Dr. Johannes Bohnet - Founder & Co-CEO Seerene
Soll im Unternehmen ein Digital Boardroom mit allen Konsequenzen eingeführt werden, muss das mit großer Umsicht moderiert werden. Hier werden Informationen zentral gesammelt, das kann bei Mitarbeitern Misstrauen wecken. Ist etwa die Rückkehr zu einer Kultur der Top-down-Kontrolle geplant? Eine Chance besteht darin, die gewonnene Transparenz dazu zu benutzen, den agilen Umbau schneller und entschlossener voranzutreiben.
Obwohl agile Methoden immer stärker um sich greifen, gibt es in fast allen Unternehmen noch Software-Silos, die sich so schnell nicht umstellen lassen. Große Organisationen werden also Strukturen schaffen müssen, die mit Teams gemischter Qualifikation und Motivation arbeiten müssen. Gelingt das nicht, bleibt nur noch die Alternative, die Softwareproduktion auszulagern - verbunden mit den Risiken eines Braindrain. …
Ein Blick auf den Status quo der Software Factories zeigt, dass nicht nur etwa Industriekonzerne, Handelsunternehmen oder Verlage, sondern auch die großen Softwarekonzerne selbst Nachholbedarf haben. Christian Bär von Datev resümiert: "In der Welt der IT-Konzerne gibt es immer noch hierarchisch organisierte Unternehmen, die ihre Strukturen lange nicht angepasst haben, weil sie in der Vergangenheit damit sehr erfolgreich waren. Der Markt entwickelt sich aber schnell, so dass diese Strukturen nicht mehr aktuell sind und eigentlich schon jetzt dringend an die Anforderungen einer VUCA-Welt angepasst werden müssten. Das geschieht leider häufig nicht, zu spät oder nur halbherzig." …
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