Ein weiteres Beispiel dafür, wie durchdrungen unsere Gesellschaft von Software ist, ist der NSA-Skandal. Man muss nicht mehr wie in früheren Zeiten aufwändig einzelne Menschen observieren. Heutzutage reicht es aus, Detektoren in das Softwarefundament einzubauen, um in sehr einfacher Weise intimste Details über Millionen von Menschen abzugreifen, von Bewegungsprofilen bis zu Gesprächen mit Freunden und Geschäftspartnern. Software ist also ein Thema, das man als politisch Verantwortlicher und als Unternehmensentscheider im Sinne des Risikomanagements im Blick und am besten im Griff haben sollte.
Die gewonnene Effizienzsteigerung im Kerngeschäft hat allerdings ihren unternehmensinternen Preis. Das IT-Budget von Unternehmen jeglicher Branche wächst stetig. Denn in den letzten Jahren und Jahrzehnten wurden riesige, auf die Unternehmensprozesse maßgeschneiderte Softwaresysteme gebaut. Würde man den Quellcode eines durchschnittlichen regionalen Energieversorgers ausdrucken, ergäbe dies ein Papierstapel der Höhe eines Hochhauses mit 15 Stockwerken. Um die Komplexität dieser Systeme zu beherrschen, ist in jedem Unternehmen jeglicher Branche eine Vielzahl von Softwareentwicklern beschäftigt.
Immer neue Geschäftsanforderungen müssen tagtäglich in die Systeme hinein programmiert werden. Zur Größenordnung: Die GD Informatik Services GmbH der Generali Versicherungsgruppe hat 1.100 Mitarbeiter angestellt. Die Schweizer Großbank UBS beschäftigt sogar rund 7.000 Softwareentwickler. Der Trend ist steigend, wie die Nachfrage nach Entwicklern zeigt. Prof. Dieter Kempf, Präsident des Branchenverbandes BITKOM, stellt in der jüngsten IT-Arbeitsmarktstudie fest, dass wir aktuell in Deutschland einen ungedeckten Fachkräftebedarf von 30.000 Softwareentwicklern haben. Rund 88 Prozent aller befragten IT-Chefs äußerten als ihre größte Herausforderung, gute Mitarbeiter gewinnen und langfristig binden zu können.
Mit der zunehmenden strategischen sowie existenzkritischen Bedeutung von Software ist in den vergangenen Jahren in den Unternehmen ein Wandel in den Führungsebenen zu beobachten. Das Thema Software wird nicht mehr als ein untergeordnetes Thema angesehen, sondern immer häufiger auf Vorstandsebene verantwortet. Dies ist ein wichtiger Schritt, denn die Software-Landschaft lässt sich nur zukunftsfähig und kosteneffizient gestalten, wenn veraltete, über die Jahre hoch komplex gewordene Softwaresysteme durch moderne Systeme abgelöst werden.
Für diese aus Risikosicht dringend notwendigen Modernisierungsmaßnahmen, sind jedoch oftmals Budgets in einer Größenordnung aufzubringen, die nur vom Vorstand entschieden werden können. Es reicht nicht aus, wenn die "Techniker" das technische Risiko zwar bemerken, aber nicht das Geld zur Verbesserung der Situation haben. Ein Unternehmen kann Compliance-, Governance-, Qualitäts- und Kostenaspekte nur in den Griff bekommen, wenn Software als Thema des Top-Level-Managements wahrgenommen und behandelt wird.
Die große Schwierigkeit hierbei ist jedoch: Software ist abstrakt. Sie hat keine physische Form. Sie ist nicht fassbar und nicht sichtbar. Wie soll ein IT-Vorstand eine faktenbasierte Entscheidung treffen, wenn sowohl das Softwarefundament wie auch die täglichen Arbeiten der vielen Programmierer unsichtbar sind? Ein Ausweg aus diesem Management-Dilemma zeichnet sich in jüngster Zeit durch neuartige Big-Data- und Visual-Analytics-Methoden ab, die es ermöglichen, aus den vielen abstrakten Daten der Code-Landschaft verständliche, visuelle Darstellungen zu erzeugen.
Die Hoffnung ist, Software so verständlich zu machen, dass auch Nicht-Techies unter den Verantwortlichen sie souverän in Entscheidungen einbeziehen zu können. Mit jedem Tag wird das wichtiger.