Auf dem Software Excellence Network Summit Transform or Face Disruption präsentierten Dr. Jürgen Sturm (Senior Vice President der ZF Group) und Stephan Bauer (Platform Domain Manager bei Catena-X) einen neuen Führungsansatz für CIOs – einen, der sich nicht mehr auf proprietäre Kontrolle und Top-down-Steuerung stützt, sondern auf radikale Zusammenarbeit, Open-Source-Software und gemeinschaftlich getragene Innovation.
In einer Zeit, in der Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit und digitale Souveränität ganze Branchen neu ordnen, müssen CIOs grundlegend überdenken, wie Software gebaut, gesteuert und skaliert wird. Die Catena-X-Initiative in der Automobilindustrie – mit dem Open-Source-Rückgrat Eclipse Tractus-X – zeigt eindrucksvoll, wie diese neue Zukunft konkret aussehen kann.
Jahrzehntelang führten CIOs ihre Unternehmen durch digitale Transformationen mit standardisierter Enterprise-Software, aufwendiger Systemintegration und komplexen Anbietermodellen. Dr. Sturm machte jedoch deutlich: Dieses Modell wird der heutigen Realität nicht mehr gerecht.
Herausforderungen wie die Echtzeit-Nachverfolgbarkeit globaler Lieferketten, die Berechnung von CO₂-Fußabdrücken oder die Erfüllung weltweiter ESG-Ziele betreffen ganze Wertschöpfungsnetzwerke. Kein einzelnes Unternehmen – und auch kein einzelner Cloud-Anbieter – kann diese Aufgaben alleine lösen. Es braucht einen Paradigmenwechsel: Community-Driven Development, bei dem Lösungen gemeinsam in Ökosystemen entstehen – partnerschaftlich entwickelt, getragen und gepflegt.
Catena-X ist ein Vorreiter dieser Bewegung. Anstatt Daten zu zentralisieren oder Infrastruktur zu erzwingen, ermöglicht die Initiative sichere, souveräne Datenaustausche über Unternehmensgrenzen hinweg – basierend auf dezentraler Architektur und einem offenen, standardisierten Technologie-Stack.
Stephan Bauer, Projektleiter von Eclipse Tractus-X, gewährte einen seltenen Einblick in die Praxis dieses Modells. Anders als klassische IT-Landschaften basiert Tractus-X auf vollständiger Transparenz und einem Prinzip der verdienten Verantwortung.
Alle Prozesse – Planung, Dokumentation, Entwicklung, Releases – erfolgen öffentlich auf GitHub. Jede Organisation – ob OEM, Zulieferer, Startup oder Berater – kann sich beteiligen und Einfluss nehmen. Diese Offenheit ist kein Marketing-Gag, sondern Systemprinzip.
Tractus-X umfasst mittlerweile 57 GitHub-Repositories, unterstützt 23 Softwareprodukte und wird durch vier koordinierte Releases pro Jahr gepflegt – von einer aktiven Community mit über 200 Beitragenden.
Die Governance basiert auf Leistung: Man beginnt als Contributor. Wer regelmäßig und sichtbar beiträgt, kann von der Community zum Committer gewählt werden – mit Rechten zur Code-Integration. Projektleitungsrollen wie die von Bauer werden auf Basis von Vertrauen und Engagement vergeben, nicht aufgrund von Hierarchie oder Budget.
Tractus-X ist kein Nischenprojekt – es ist das derzeit größte Eclipse-Projekt weltweit, gemessen an Commits und Beitragenden. Das zeigt nicht nur seine Relevanz für die Automobilindustrie, sondern auch seine Skalierbarkeit.
Bauer sprach aber auch Klartext: Von 43 registrierten Committern sind aktuell nur 15 aktiv. Diese Diskrepanz zeigt, wie schnell Community-getragene Infrastruktur an Belastungsgrenzen stößt. Für CIOs bedeutet das: Wenn Ihr Unternehmen von Open Source profitiert, sollte es auch Verantwortung dafür übernehmen.
Der Reiz dieses Modells liegt in seiner Übertragbarkeit: Tractus-X dient inzwischen als Vorlage für verwandte Initiativen wie Manufacturing-X, Factory-X, Health-X oder Semiconductor-X – alles Projekte, die auf verteilte Datensouveränität, Interoperabilität und gemeinschaftliche Entwicklung setzen.
Die vielleicht wichtigste Erkenntnis ist nicht technischer, sondern kultureller Natur. CIOs, die mit Gantt-Charts, Gate-Modellen und linearen Rollouts aufgewachsen sind, müssen ein neues Selbstverständnis entwickeln:
Bauer formulierte es praxisnah: GitHub ist das Projektmanagement-Tool. Meetings sind öffentlich. Roadmaps entstehen gemeinschaftlich. Führung ergibt sich durch Wirkung – nicht durch Titel.
Die offene Infrastruktur schafft ideale Voraussetzungen für den Einsatz von Generativer KI. Je stärker Daten zwischen Unternehmen standardisiert, strukturiert und maschinenlesbar werden, desto mehr kann sich GenAI von isolierten Chatbots zu intelligenten, ökosystemweiten Agenten entwickeln.
Stellen Sie sich KI-gestützte Systeme vor, die helfen:
Doch all das funktioniert nur, wenn die technologische Basis stimmt – und das Vertrauen in Datenhoheit, Regulierung und Kooperationsgrenzen fest verankert ist.
Für Dr. Sturm war eine der transformativsten Erfahrungen seiner CIO-Karriere nicht der Go-Live eines SAP-Systems oder der Umzug in die Cloud – sondern die aktive Mitgestaltung eines Open-Source-Projekts auf Augenhöhe.
Diese Transformation – vom Softwarekäufer zum Mitgestalter eines Ökosystems – ist heute für jeden CIO möglich. Der nächste Innovationssprung im Enterprise-IT-Bereich wird nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden. Er entsteht:
Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wann, wo und wie Sie sich beteiligen.
Hinweis: Dieser Artikel basiert auf der Masterclass von Dr. Jürgen Sturm und Stephan Bauer im Rahmen des Executive Exchange „Transform or Face Disruption“. Um die Tiefe und den Kontext seiner Ausführungen vollständig zu erfassen, wird empfohlen, den Vortrag in voller Länge anzusehen.
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