In einer Ära, in der Agilität, Kundenzentrierung und KI-Readiness den CIO-Rollenwandel bestimmen, setzt Bayer eine der ambitioniertesten Unternehmenstransformationen weltweit um. Das Programm trägt den Namen Dynamic Shared Ownership – und es handelt sich nicht um ein bloßes IT-Modernisierungsprojekt, sondern um eine grundlegende Neugestaltung, wie ein globaler Life-Science-Konzern denkt, arbeitet und führt.
Auf dem jüngsten Software Excellence Network-Gipfel Transform or Face Disruption präsentierte Dr. Bernd Lohmann, Transformationsleiter bei Bayer, wie dieses neue Operating Model dabei hilft, Bürokratie abzubauen, Verantwortung dezentral zu verankern und Innovation in IT, R&D, Produktion und Vertrieb global zu beschleunigen.
Mit über 90.000 Mitarbeitenden in den Bereichen Pharma, Crop Science und Consumer Health ist Bayer ein Schwergewicht in der Life-Science-Branche. Wie viele große Konzerne sah sich das Unternehmen mit klassischen Altlasten konfrontiert:
Was als IT-getriebene Transformation begann, offenbarte sich schnell als ein ganzheitlicher kultureller Wandel.
Im Zentrum von Dynamic Shared Ownership steht ein radikales Prinzip: 95 % aller Entscheidungen sollen von den Teams getroffen werden, die die Arbeit leisten. Keine Steuerungskreise, keine Management-Freigaben – stattdessen autonome Squads, die sich an Kundenwert orientieren und selbstständig Verantwortung übernehmen.
Früher arbeiteten Mitarbeitende für ihre Vorgesetzten. Heute arbeiten sie für den Zweck: „Health for all, Hunger for none“ – das ist nicht nur ein Claim, sondern eine Richtlinie für die tägliche Arbeit.
Führungskräfte coachen, sie kontrollieren nicht. Teams sind nicht funktional, sondern cross-funktional: Sie verantworten Planung, Umsetzung, Erfolgsmessung – und treffen Entscheidungen eigenständig. Ressourcen fließen flexibel dorthin, wo sie gebraucht werden.
Der Taktgeber dieses neuen Modells: 90-Tage-Zyklen. Jedes Team definiert seine Ziele für das nächste Quartal, arbeitet in Sprints (oft wöchentlich), reflektiert regelmäßig und passt seine Strategie dynamisch an.
Die Auswirkungen sind tiefgreifend:
Besonders sichtbar wird die Transformation in der IT. Dr. Lohmann zeigte zwei Fallbeispiele aus dem Crop-Science-Bereich:
Eine ehemals fragmentierte Legacy-Lösung mit zahlreichen Partnern wird nun von einem eigenen Produktteam betreut – mit Product Owner, Entwicklern, Datenexperten und Architekten.
Alles in einer Hand. Keine Übergaben. Keine Wartezeiten.
Ein altes SAP-Portal für Saatgut-Bestellungen wird jetzt wöchentlich in iterativen Sprints gemeinsam von Business und IT weiterentwickelt – mit beeindruckendem Ergebnis: 90 % geringere Entwicklungskosten, schnellere Releases und bessere Kundenerfahrung.
Viele CIOs sprechen von der Produktisierung der IT – Bayer lebt sie: Sogar Infrastruktur und Datenplattformen werden entlang der Produktverantwortung strukturiert, solange das Produkt aktiv weiterentwickelt wird.
Sobald ein Produkt einen stabilen Reifegrad erreicht hat, wird es in ein Shared-Service-Modell überführt – mit einem Mix aus internen Mitarbeitenden und Offshore-Partnern. Das Ergebnis: Agilität in der Entwicklung, Effizienz im Betrieb.
Ein häufig unterschätzter Effekt von Dezentralisierung ist Datenfragmentierung. Lohmann räumte offen ein: Silos existieren weiterhin – auch im neuen Modell. Doch Bayer investiert massiv in Data Asset Management und semantische Harmonisierung, um Redundanzen zu minimieren und Interoperabilität zu gewährleisten.
Beispiel: Patientendaten, früher getrennt zwischen Forschung und Vermarktung, werden jetzt als gemeinsame Datenassets aufgebaut, die beide Bereiche bedienen.
Das Ziel ist klar: Die Basis legen für ein KI-fähiges Unternehmen, in dem generative KI, digitale Zwillinge und maschinelles Lernen verlässliche, durchgängige Datenströme benötigen.
Was bedeutet all das für CIOs?
Bayers Modell zeigt, wie eine moderne Organisation aussieht: föderiert, zweckorientiert, KI-bereit – mit echter Autonomie auf operativer Ebene.
Wenn CIOs fragen, wie sie Talente gewinnen, Teams stärken und in einem KI-getriebenen Markt bestehen können, bietet Dr. Lohmann eine klare Antwort: Beginnt mit dem Zweck.
Ob man Saatgut entwickelt, Medikamente erforscht oder Software schreibt – „Health for all, Hunger for none“ ist kein Slogan, sondern ein Betriebssystem.
Denn erst wenn jedes Team versteht, wie seine Arbeit zur Mission beiträgt, wird Transformation wirklich wirksam.
Hinweis: Dieser Artikel basiert auf der Masterclass von Dr. Bernd Lohmann im Rahmen des Executive Exchange „Transform or Face Disruption“. Um die Tiefe und den Kontext seiner Ausführungen vollständig zu erfassen, wird empfohlen, den Vortrag in voller Länge anzusehen.