Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Autos so individuell anpassbar, aufrüstbar und vernetzt sind wie Smartphones. Diese Zukunft ist keine Vision mehr, sondern Realität – ermöglicht durch software-definierte Fahrzeuge (SDVs). Beim Beyond the Engine Summit skizzierte Prof. Dr. Dirk Slama von Bosch eindrucksvoll, wie die Automobilindustrie den Sprung in eine digitalisierte Zukunft meistern kann. Seine Erkenntnisse gehen jedoch über einzelne Technologien hinaus – sie fordern ein fundamentales Umdenken in der Branche.
In der Automobilindustrie ist Sicherheit das oberste Gebot. Jede neue Technologie muss höchsten Standards genügen – ein winziger Fehler kann fatale Konsequenzen haben. Diese notwendige Perfektion hat jedoch ihren Preis: Sie führt zu starren Entwicklungsprozessen, die Innovationen verlangsamen. Das traditionelle V-Modell der Softwareentwicklung verlangt langwierige Tests und Freigaben, was zu jahrelangen Entwicklungszyklen führt.
Diese Strukturen bremsen den Fortschritt. Während Software in der Konsumelektronik innerhalb von Monaten aktualisiert wird, dauert es in der Automobilbranche oft Jahre, bis neue Funktionen auf die Straße kommen. Die Lösung liegt in einem Paradigmenwechsel: Schnelle, iterative Entwicklungsmethoden können Innovation beschleunigen, ohne Kompromisse bei der Sicherheit einzugehen.
Ein zentraler Ansatzpunkt für die Transformation ist die Entkopplung von Soft- und Hardware. Anstatt monolithische, komplexe Systeme zu entwickeln, sollten Automobilhersteller auf modulare Architekturen setzen. Ein Vergleich mit einer Bento-Box verdeutlicht das Prinzip: Jedes Modul eines Fahrzeugs – von der Türsteuerung bis zur Navigation – kann als eigenständige Softwarekomponente betrachtet werden, die unabhängig entwickelt, getestet und aktualisiert wird.
Diese Modularität ermöglicht nicht nur schnellere Updates, sondern erleichtert auch die Integration neuer Technologien. Beispielsweise können KI-gestützte Assistenzsysteme oder cloudbasierte Diagnose-Tools in bestehende Fahrzeuge integriert werden, ohne das gesamte System neu aufzusetzen.
Doch diese Umstellung ist nicht nur eine technische, sondern auch eine kulturelle Herausforderung. Unternehmen müssen Silos aufbrechen und interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern. Entwickler, Ingenieure und Sicherheitsexperten müssen in agilen Teams arbeiten, um Innovationen effizient umzusetzen.
Ein Blick auf die Smartphone-Industrie zeigt, wie mächtig Abstraktion und Standardisierung sind. App-Entwickler müssen nicht wissen, wie ein Gyroskop funktioniert, um es in ihre Anwendungen einzubinden – sie nutzen einfach eine standardisierte API.
Für die Automobilindustrie bedeutet dies, dass jede Fahrzeugfunktion – von der Klimasteuerung bis zum Infotainment – über offene Schnittstellen zugänglich sein sollte. Dies würde nicht nur Herstellern mehr Flexibilität geben, sondern auch Drittentwicklern ermöglichen, innovative Anwendungen für Fahrzeuge zu entwickeln.
Um die Entwicklungszeit und Kosten zu reduzieren, setzt Prof. Dr. Slama auf zwei zentrale Strategien:
Shift Left: Fehler müssen so früh wie möglich im Entwicklungsprozess erkannt und behoben werden. Durch Simulationen, kontinuierliche Tests und virtuelle Prototypen lassen sich Probleme identifizieren, bevor sie teure Verzögerungen verursachen. Die Virtualisierung ganzer Fahrzeuge könnte den Design- und Testprozess revolutionieren – ein vollständiges Auto als digitales Modell in der Cloud ermöglicht es, Software zu testen, bevor ein physischer Prototyp gebaut wird.
Shift North: Funktionen sollten nach Möglichkeit aus tief eingebetteten Systemen in zentralisierte, anpassbare Software-Stacks verlagert werden. Anstatt zahlreiche separate Steuergeräte (ECUs) für verschiedene Funktionen zu verwenden, könnte ein zentraler Hochleistungsrechner diese Aufgaben übernehmen. Dies reduziert die Komplexität, erleichtert Wartung und Updates und eröffnet neue Möglichkeiten für Over-the-Air-Updates.
Die Prinzipien der Software-definierten Fahrzeuge lassen sich auf viele andere Branchen übertragen. Modularität, Abstraktion und kontinuierliche Integration sind nicht nur für die Automobilbranche entscheidend, sondern auch für das Gesundheitswesen, die Energiewirtschaft und die Industrie 4.0.
Ein Krankenhaus könnte beispielsweise von einer modularen IT-Architektur profitieren, die es ermöglicht, neue Technologien nahtlos zu integrieren. In der Energiebranche könnten APIs dazu dienen, erneuerbare Energien, Batteriespeicher und Verbraucher intelligent zu vernetzen.
Die SDV-Revolution ist ein Teil eines größeren Trends hin zu flexibleren, vernetzten und benutzerzentrierten Systemen. Unternehmen, die sich dieser Entwicklung verschließen, riskieren, den Anschluss an den Markt zu verlieren.
Die Transformation hin zu software-definierten Fahrzeugen erfordert Mut, neue Wege zu gehen. Die notwendigen Technologien sind bereits vorhanden – nun gilt es, sie konsequent einzusetzen. Die Automobilindustrie hat die Chance, sich neu zu erfinden und Innovationen schneller, effizienter und kundenorientierter zu gestalten.
Die Präsentation von Prof. Dr. Dirk Slama sowie weitere Masterclasses führender IT- und Automobil-Experten stehen online zur Verfügung. Besuchen Sie die Landingpage zum Beyond the Engine Executive Exchange, um die vollständigen Inhalte anzusehen.
Das Software Excellence Network bringt führende IT-Manager, Wissenschaftler und Branchenexperten zusammen, um die größten Herausforderungen der Unternehmenssoftware-Entwicklung zu bewältigen. Durch Wissenstransfer, offene Diskussionen und Veranstaltungen wie den Beyond the Engine Executive Exchange fördert das Netzwerk Innovation, Best Practices und transformative Lösungen. Erfahren Sie mehr darüber, wie das Software Excellence Network die Zukunft der Software-Entwicklung gestaltet.
This article provides a summary of Prof. Dr. Dirk Slama's masterclass and highlights key insights shared during his presentation. For the full context, complete remarks, and detailed visuals, we encourage readers to watch the presentation and download the accompanying slides. If you have any questions or concerns, we encourage you to reach out to us directly.